Mittwoch, 7:30 Uhr. Es regnet in Deutschland. Da heutzutage anscheinend kaum noch jemand selbst entscheiden kann, ob Regen eine Gefahr für Leib und Leben darstellt und man ohne zu ertrinken vor die Tür gehen kann, zeigt selbst das Navi effektvoll eine „Extreme Regenwarnung“ für den MKK und Frankfurt an. Ich verzichte dennoch auf Schnorchel und Taucherbrille und fahre einfach waghalsig und todesmutig los in Richtung Chemo. Offenbar macht der Regen aber wirklich vielen Motoristen zu schaffen. Sämtliche Autobahnen sind total dicht. Es ist das erste Mal, dass mich mein Navi ausschließlich über Schleichwege und Kleingartenanlagen nach Frankfurt lotst. Wirklich irre. Aber nach gut anderthalb Stunden sind die rund 28 Kilometer geschafft. Als Belohnung bekomme ich sogar noch einen kostenlosen Parkplatz in einer der Gassen rund um das Nordwest Krankenhaus. Ein Zeichen für einen guten Tag?
Leider nein. Anfangs lief noch alles normal, aber kaum wurde das Oxaliplatin angestöpselt, merkte ich schon, dass das wieder nicht gut gehen würde. Erst war nur der Kopf matschig, aber schnell kamen brennende Augen und leichte Halsschmerzen hinzu. Und schließlich platzten dann auch die Rückenschmerzen mit voller Wucht in die Party. Die waren beim letzten Mal schon schlimm, aber diesmal ging wirklich gar nichts mehr. Ich konnte nicht mal mehr sitzen.
Die Schmerzen zogen über den kompletten Rücken bis runter in die Oberschenkel und hoch in den Brustkorb. Auch die, immer noch, gebrochenen Rippen mischten ordentlich mit. Es war schlicht die Hölle. Ich habe auch nicht lange gezögert und direkt um HIlfe gerufen. Ich bekam Cortison und Novalgin gegen die Rückenschmerzen. Da auch das Team diesmal merkte, wie krass die Schmerzen waren, stellte man mir sogar Morphium in Aussicht. Glücklicherweise wirkte das Novalgin aber nach einer guten halben Stunde, und langsam ging es mir wieder besser.
Ganz aufgeben wollte der Doktor aber dann auch noch nicht. Das Oxaliplatin wurde nach der Erholungspause wieder angestöpselt und sollte diesmal langsamer (in zwei statt einer Stunde) durchfließen. Aber auch das hatte leider nicht den gewünschten Erfolg. Nach gut zwanzig Minuten ging es, bis auf die Rückenschmerzen, wieder von vorne los. Der Kopf wurde matschig, Hals und Ohren fingen an zu kratzen. Ich musste plötzlich niesen und husten, und der Brustkorb wurde eng, was das Atmen erschwerte.
Kurzum: alles richtig scheiße. Ich versuchte, noch ein bisschen länger durchzuhalten. Mittlerweile war schon die knappe Hälfte des Mittels durchgelaufen. Aber da war nichts zu wollen. Ich drückte also erneut aufs Knöpfchen und wurde dann endgültig von meiner Endgegner-Giftdosis getrennt.
Nun musste ich sicherheitshalber noch eine Stunde zur Beobachtung sitzen bleiben, im Zweifelsfalle wollte mich der Doc über Nacht da behalten. Zum Glück ging es mir aber im Minutentakt wieder etwas besser. Nur der matschige Kopf ist bis jetzt übrig geblieben. Die restliche Therapie wird morgen früh fortgesetzt werden. Eine Entscheidung, die ich sehr begrüße, auch wenn ich mich dann eben nochmal auf den Weg nach Frankfurt machen muss. Diesmal darf ich allerdings später kommen, so dass kein Stau zu erwarten sein wird.
Morgen geht’s dann auch sonst schnell. Es fehlt nur noch eine halbstündige Infusion und dann die 48-Stunden-Pumpe. Ich hoffe bloß, die krassen Nebenwirkungen, die das letzte Mal auch zu Hause so schlimm waren, bleiben diesmal aus. Nicht, dass es mir gerade gut ginge, aber es fühlt sich zumindest deutlich besser als beim letzten Mal an. Vielleicht war es wirklich „nur“ das Oxaliplatin.
PS
So sehr ich mich auch „freue“, dass es mir ohne das Oxi etwas besser geht – ich hoffe, die bisher gute Killerwirkung der Chemo auf die Knoten bleibt auch ohne, bzw. mit der nun sehr geringen Dosis Oxi, noch einigermaßen erhalten. Der Krebs soll ja schließlich gnadenlos untergehen.