Oops, they did it again

Joa, die Sch…-Erkältung ist jetzt so halbwegs überstanden. Da die Blutwerte gestern ganz passabel daherkamen, stand einer heutigen Chemo also nichts mehr im Wege. Ich muss zugeben, ich hätte einerseits lieber noch gewartet, bis ich wieder richtig gesund bin, andererseits macht mir die mittlerweile doch schon sehr lange Pause durchaus auch Sorgen. Also stimmte ich unvermittelt und zuversichtlich zu, als der Arzt fragte, ob ich mich denn trotz der Erkältungsreste gewappnet fühlen würde. Zur Feier des Tages nutzte ich diesmal mein Deutschlandticket und fuhr „gemütlich“ mit den Öffentlichen, was um die Rush-Hour-Uhrzeit (8:00) stautechnisch sicherlich die entspannteste Lösung war. Zumindest auf dem Hinweg…

Im Krankenhaus angekommen fand der Professor (das ist quasi der zweite Arzt, der mich betreut), die Idee mit der Therapie trotz Erkältung nicht ganz so gut. Allerdings lief die Chemo da schon, und so beließ er es dabei. Sollten sich meine Symptome verschlimmern, muss ich aber unbedingt vorsprechen, denn meine Abwehrkräfte werden durch die Chemo natürlich total in den Keller fahren. Immerhin gab er mir noch ein Fläschchen Benzydamin-Mundspülgel. Das mischen sie hier selbst und hat mir bei der Erkältung bis jetzt echt gut getan.

Surprise? Oxi, das Teufelszeug sorgt wieder für heftige Reaktionen

Die Beutel blubberten nun erstmal munter vor sich hin. Zu meinem Erschrecken kam irgendwann ein dicker Sack Oxaliplatin. Diesmal sollte es verlangsamt für insgesamt drei Stunden laufen. Vermutlich stand die Hoffnung dahinter, dass ich es dann besser vertragen würde. Schweren Herzens ließ ich es geschehen; was soll ich auch sonst groß machen. Nach rund zwei Stunden ging es dann jedoch prompt und asozial los. Erst wurde mir kalt, dann kam ein ordentlicher Schüttelfrost, und die Rücken- und Brustschmerzen kündigten sich mit einem leichten Stechen an –> Notrufknopf.

Die Schwester hatte es schon geahnt und kam mit einem „Ist-das-der-Herr-Bechtold?“ ins Zimmer geeilt. Ja, er war’s, und mit verständnisvollem Blick unterbrach sie die Pumpe und machte sich auf den mittlerweile vertrauten Weg, mir Scherzmittel zu holen. Nach einer kleinen Weile konnte ich vor lauter Zittern kaum noch gerade sitzen. Die Schmerzen fingen nun auch richtig an. So peinlich und „schwach“ ich mich fühlte, es gelang mir eine gute halbe Stunde lang nicht, mein lautes Stöhnen zu unterdrücken. Die Schmerzen zogen durch den ganzen Körper, und keine Position fühlte sich besser an. Ich stand wie ein (mindestens) 90-jähriger im Raum und stöhnte verzweifelt vor mich hin. Zum Glück war ich allein.

Irgendwann ging’s, und es kam ein weiterer kurzer Schock: Der Prof meinte telefonisch, sie sollen es direkt nochmal mit dem Oxi probieren und sofort abbrechen, wenn es wieder passiert. Nach Rücksprache mit dem Kollegen entschied man sich dann aber doch dagegen (es ist ja nun auch wirklich oft genug passiert…) Also ging es „nur“ mit dem üblichen Rest der Medikamente weiter. Die Schmerzen waren mittlerweile, dem Novalgin-Himmel sei Dank, verklungen. Dafür kam die Matschbirne langsam aber sicher aus den Ecken gekrochen, und wie wir wissen, kommt sie leider, um erstmal auch zu bleiben.

Ab nach Hause – ein echtes Abenteuer trotz pünktlicher Bahnen

Die Heimfahrt gestaltete sich dann leider als kleiner Horrortrip. Im ersten Bus waren erstmal rund 40 spanische Austauschschülerinnen und -schüler, die sich mehr als lautstark unterhielten und natürlich alle Sitze belegten. Wie in einer Sardinenbüchse ging es Richtung U-Bahn. Immerhin konnte ich so nicht umfallen. Obwohl die spanischen Krawallschachteln schon zwei Stationen vor mir ausstiegen, traf ich sie dann prompt in der U-Bahn zum Ostbahnhof wieder. Sie hatten mich ausgetrickst. Seufz… Diesmal waren sie aber besser verteilt und auch etwas leiser. Nur mit dem Sitzplatz hat es wieder nicht geklappt. Ja, man hätte fragen können, aber, wenn ein komplettes Abteil nur von Schülern besetzt ist, setzt man sich als alter kranker Mann nicht einfach dazwischen.

Von der U-Bahn zum Zugsteig schließlich hatte ich nur 5 Minuten Umsteigezeit. In meinem Zustand echt eine mittlere Herausforderung, die ich aber tatsächlich meisterte. Keuchend, völlig außer Atem und kurz vorm Brechen ließ ich mich auf eine Sitzbank neben einer weiteren Schülerin fallen. In meinem Wollmantel und meinem Hoodie, aus dem der Schlauch der Chemopumpe rausschaute, sah ich wahrscheinlich wie ein waschechter Frankfurter Junkie aus.

Jedenfalls verließ die Gute schlagartig die Bank, als ich von einem lauten Hustenanfall übermannt wurde. Diese Taktik hätte ich vielleicht schon im Bus anwenden sollen. Naja… Der Zug kam pünktlich, und ich bin erschöpft aber heil wieder zu Hause angekommen. Hoffen wir, dass es ab hier schnell besser wird.

Schneller Nachtrag von 20 Uhr: Es ist wieder genauso scheiße wie beim letzten Mal. Ich bin erstmal raus.