Ich bring‘ mal eben das Leergut weg…

Die Langeweile als Zwangs-Frührentner treibt bisweilen schon wirklich seltsame Blüten… Es war Sonntag, später Abend. Kurz vorm Schlafengehen kam mir spontan der Gedanke, dass ich doch eigentlich das alte Barre-Fass endlich mal zurückbringen könnte. Eben jenes Fass steht schon seit guten 10 Jahren in meinem Garten, weil ich es hier nirgendwo loswerden kann. Etwa eine halbe Stunde später hatte ich eine grobe Reiseroute ausgesucht. Damit es sich auch richtig lohnt, plante ich unterwegs noch einen Stop in Wuppertal ein. Eine Fahrt mit der weltbekannten Schwebebahn steht (nun stand) nämlich auch schon seit Ewigkeiten auf meiner Bucketlist. Als weiteren Höhepunkt und Zeitvertreib wollte ich dort den Grünen Zoo besuchen.

Am nächsten Morgen packte ich in Windeseile mein treues Hui-Mobil. Das Schöne ist ja, dass es eigentlich immer abreisebereit ist, und ich nur „Kleinigkeiten“ wie Wechselklamotten oder den Wasserkanister und die Kühlbox einladen muss. Viel Vorbereitung ist da nicht nötig. Und so war ich schon kurz nach dem Aufstehen endlich mal wieder unterwegs in der großen weiten Welt.

Den Hinweg fuhr ich ausschließlich über Landstraßen und genoß mein wirklich schönes Heimtländle fernab der nervigen Autobahnen. Das Tagesziel sollte ein lauschiger Parkplatz an einem Schulzentrum in Wuppertal sein. Dort könne man laut der altbekannten Parkplatz-App problemlos über Nacht stehen und hätte sogar eine nur 3-Minuten-Fußweg entfernte Busanbindung in die City.

Das Vermeiden der Autobahn sollte sich definitiv lohnen (dazu später mehr). Auf dem Weg kam ich an einem Affen- und Vogelpark vorbei, der mit einem großen Schild für sich Werbung machte. Als alter Affen-Fan speicherte ich mir den Ort gedanklich und wollte dann später nach ein paar Infos im Internet suchen. Aber erstmal ging es weiter kreuz und quer durch wunderschöne und sonnige rheinland-pfälzische Landschaften. Ohne Schwierigkeiten oder Staus kam ich am frühen Nachmittag in Wuppertal an.

Parken frei

Die App hatte nicht zu viel versprochen. Der Parkplatz war zwar etwas ranzig, aber sehr geräumig und von Bäumen beschattet. Freie Plätze gab es (vermutlich dank der Sommerferien) reichlich, und so hatte ich mich schnell „häuslich eingerichtet“. Das Bierfass musste zum Schlafen natürlich raus und diente mir als Tisch.

Bei einem kleinem Spaziergang machte ich mich mit der näheren Umgebung vertraut und fand einen Schleichweg zu besagter Bushaltestelle, die tatsächlich nur drei Minuten entfernt war. Busse in die Wuppertaler Innenstadt und zurück fuhren im 20-Minuten-Takt. Herrlich! Viel mehr passierte an diesem Tag dann nicht mehr, und nach ein paar Kapiteln von Stephen Kings „The Shining“ ging es relativ früh zu Bett.

Die Nacht verlief trotz der gruseligen Lektüre albtraumfrei und erholsam. Nach einem sehr gemütlichen und frisch gemahlenen Kaffee aus der Bialetti machte ich mich dann auf den Weg zur Wuppertaler Schwebebahn (die man mit dem Deutschlandticket übrigens fahren darf). Um das Erlebnis so richtig zu feiern, fuhr ich aber zunächst mit der „normalen“ Bahn zur Starthaltestelle in Wuppertal Oberbarmen.

Hoch über der Wupper und im Grünen Zoo

Dort bestieg ich dann fröhlich die Schwebebahn und war eine knappe halbe Stunde hoch über den Dächern von Wuppertal unterwegs bis zur Haltestelle am Grünen Zoo. Ich muss sagen, die Schwebebahn ist eine wirklich coole und praktische Sache. Die Fahrt an sich ist jetzt nicht sonderlich spektakulär, aber es macht schon irgendwie Spaß und ist doch ganz etwas anderes, als in einem „normalen“ Bus oder einer S-Bahn zu fahren. Es ist auf jeden Fall ein Erlebnis, das sich lohnt.

Vom Wuppertaler Zoo kann ich das Gleiche jetzt nicht unbedingt behaupten. Für 20 Euro Eintritt hätte ich mir da eigentlich etwas mehr erwartet. Versteht mich nicht falsch – es ist ein wirklich schöner Zoo mit einem sehr hübsch gestalteten Gelände. Aber für mich gewinnt im direkten Vergleich ganz klar der Frankfurter Zoo. Das Affenhaus, die Elefanten, das Terrarium… Das ist in Hessen einfach geiler. Trotzdem schlenderte ich fast vier Stunden an allen Gehegen vorbei und genoss das schöne Wetter. Im Anschluss fuhr ich natürlich wieder mit der Schwebebahn zurück in die Wuppertaler City und genehmigte mir ein kühles Köpi in einem Café, in dem ich in Hanau wahrscheinlich Stammgast wäre.

Mittlerweile war es später Nachmittag und wieder einmal hatte ich die körperlichen Anstrengungen wohl ein bisschen unterschätzt. Jedenfalls spürte ich nun, dass es allerhöchste Zeit war, „nach Hause“ zu gehen. Mit Müh und Not erreichte ich schnaufend den Busbahnhof und war mit jedem Schritt mehr und mehr fix und fertig. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich wäre im Bus eingeschlafen (ich will es mal nicht zusammengebrochen nennen). Hart wie ich bin, ging aber alles gut, und am Ende hab ich es noch bis in mein geliebtes Hui-Mobil geschafft, wo ich dann sofort fast zwei Stunden lang durchgeschlafen habe. Scheiß, verfickter Krebs…

Ab geht’s in den Norden

Ich erwachte frisch und ausgeruht und machte alles abfahrbereit. Mit der frühen Abendsonne verließ ich das schöne Wuppertal in Richtung Lübbecke. Auch hier hatte ich mir vorher in der bereits erwähnten App einen abgelegenen, aber noch zentrumsnahen Parkplatz auserkoren. Gegen 21 Uhr kam ich dort an. Der Parkplatz gehörte zu einem öffentlichen Sportstadion, das quasi mitten im Wald lag. Außer ein paar Autos von Wanderern und kiffenden Pärchen war hier oben nichts los. Der perfekte Platz also für mich und mein Bierfass, das ich auch in dieser Nacht wieder neben dem Auto abstellte. Ich kochte mir noch ein kleines Nudelgericht zum Abendessen und machte es mir dann in der Dämmerung auf meinem Campingsessel gemütlich.

Ohne jede Beleuchtung und umgeben von Wald war es hier bald stockdunkel. Die unzähligen Käuzchenschreie und sonstigen Tierlaute trugen zu einer sehr atmosphärischen Stimmung bei. Stephen King verwandelte diese dann mit seinem Buch in eine extrem gruselige, und ich las (vielleicht auch wegen meines ausgiebigen späten Mittagsschlafs) noch bis 3:00 nachts weiter. Es war allerdings alles so schaurig, dass ich selbst zum Pinkeln meine Indoor-Toilette nutzte und das Auto die ganze Nacht nicht mehr verließ.

Adieu, liebes Fass

Geweckt wurde ich am nächsten Morgen zu früh von einer Horde älterer Damen, die sich wohl zum gemeinsamen Wandern verabredet hatten und nun den Parkplatz mit Leben füllten. Schweren Herzens stand ich auf und begann das morgendliche Wasch- und Kaffeekoch-Ritual. Dann ging es Richtung City, um das treue Barre-Fass nach all den Jahren endlich wieder zurück in den Bierkreislauf zu geben. Leb wohl, alter Freund! Mit einer Palette Dosen-Barre ging es zurück zum Parkplatz, und es folgte sicherheitshalber ein kurzer Mittagsschlaf.

Das „Stadion“ wurde von erstaunlich vielen Joggern genutzt, die hier stumpf ihre Kreise zogen, obwohl auch der Wald sehr schöne Wege zu bieten hatte. Vermutlich fühlten sie sich so einfach sportlicher. Ein etwa 55-jähriger leicht beleibter Lübbecker verdeutlichte das dann auch nochmal. Er war gemeinsam mit einer Frau (nicht seine Gattin, vielleicht eine Kollegin) da und rannte mit ihr mehrere Runden. Nach jeder Runde machte er eine kleine Pause und rief (der Slang ganz seinem Alter entsprechend) lauthals und unermüdlich: „Fuuuuck!“, „Alter…“, „Puuuuh…“ Er wollte damit wohl ausdrücken, wie erschöpfend seine sportliche Leistung gewesen sein musste (wenigstens hatte er noch genug Puste zum Jammern). Die Dame nahm’s gelassen und gönnte ihm seine Darbietung. Ich hingegen war wirklich froh, als er endlich genug hatte und zurück zu seinem Auto wankte, um, sportlich wie er nun mal war, nach Hause zu fahren.

Meut Grylls kämpft sich durch den Wald

Nun war es aber auch für mich an der Zeit, wieder aktiv zu werden. Ein Besuch in der Brauerei-Gaststätte von Barre stand auf dem Plan. Laut Karte war die „Barre Brauwelt“ auch nur rund einen Kilometer entfernt. Allerdings gab es keinen offiziellen Weg, so dass ich mich auf meine alten Pfadfinderkenntnisse verlassen und mich quer durch den Wald schlagen würde, um nicht einen Riesenumweg durch den halben Ort laufen zu müssen.

Um noch schlauer abzukürzen, lief ich einmal quer durch das Stadion, kletterte über einen Zaun und… fand den erhofften Wanderweg dahinter leider nicht. So kämpfte ich mich querwaldein durch ein Dickicht von Bäumen und Efeu und kam dann hinter einem Privathaus in einem (sehr schönen) Garten an. Weiter ging es hier allerdings nicht, es sei denn, ich wäre durch die Terrassentür ins Haus und dann vorne wieder raus. Dafür fehlte mir der Mut, und so musste ich nochmal zurück in den finsteren Wald. Nach ein paar Minuten fand ich dann aber einen kleinen Hang, der direkt an einer Straße lag. Hier hopste ich runter und war – bitte jubeln Sie jetzt – tatsächlich kurz vor meinem Ziel an der Barre-Brauerei. Ich würde wetten, selbst die ältesten Lübbecker wären von meinem Schleichweg beeindruckt gewesen.

Barre Bräu, mein Herz erfreu!

Das frisch gezapfte Barre Pilsener hatte ich mir nun wahrhaftig verdient und genoss es Schluck für Schluck im gemütlichen Brauerei-Biergarten. Leider spielte das Wetter heute nicht so wirklich mit. Es war recht frisch, und der Himmel zog sich bedenklich zu. So beschloss ich, natürlich erst nach einem zweiten Glas, lieber weiter zu ziehen. Ich wollte mir noch die Lübbecker Altstadt und den legendären Bierbrunnen anschauen. Für das Bierbrunnenfest war ich leider eine Woche zu früh dran. Bei diesem wurde früher echtes Bier in den Brunnen eingespeist, und man konnte sich sein Bierglas beliebig oft auffüllen. Eine wundervolle Tradition, die leider aus hygienischen Gründen irgendwann abgeschafft wurde. Trotzdem zeigt sie, was für ein geiles Völkchen die Lübbecker doch sind.

Die Innenstadt von Lübbecke war fast menschenleer. Das Wetter hatte sich aber wieder gefangen, und so schlenderte ich gemütlich durch die schönen Straßen und freute mich, dass an fast jeder Kneipe ein Barre-Schild hing. Paradiesische Zustände… Ich widerstand dem Drang, jedes Mal einzukehren und stapfte tapfer weiter. Instinktiv oder durch pures Glück hatten mich meine Füße beinahe einem Rundweg gleich wieder ganz in die Nähe des Waldparkplatzes gelenkt. Einen weiteren Survival-Marsch durch den Wald konnte ich mir also sparen, und ich kam nach einem letzten Abstecher zu einem Supermarkt noch frisch und munter am Hui-Mobil an.

Hier erwartete mich diesmal eine heitere Altherren-Runde, die in Campingstühlen in einem großen Kreis saß und (vermutlich nach dem Wandern) ein Bier nach dem anderen wegzischte. Irgendwann hatten sie genug, verstauten ihre Stühle in den Kofferräumen und fuhren davon. Man muss die Lübbecker einfach lieben. Ich genoss nun selbst ein eiskaltes Barre aus meiner Kühlbox und bereitete Bett und Lesezimmer für den Abend vor. Nach einem Döschen Ravioli passierte nichts Spannendes mehr, und der Abend verlief im Grunde genauso wie der vorige. Prost und gute Nacht, Lübbecke!

Unverhofft kommt oft

Auch am nächsten Morgen wurde ich wieder eher unsanft gegen 7:30 Uhr geweckt. Diesmal war es allerdings der Rasenmäher, der im Stadion seine Kreise drehte und den Rasenschnitt alle paar Minuten direkt hinter meinem Kofferraum ablud. Irgendwas ist ja immer… Ich muss dem guten Mann dankbar sein, dass er mich trotzdem hat „schlafen“ lassen. Jeder andere hätte mich wahrscheinlich genervt gebeten, mein Auto wegzufahren. Er jedoch rangierte einfach um mich herum und interessierte sich nicht weiter für mich. Der Lärm war mir irgendwann aber doch zu viel, und so stand ich auf, parkte um und kochte mir auf der gegenüberliegenden Seite meinen Kaffee.

Heute stand eigentlich nur noch ein Großeinkauf an Barre-Kisten und die Heimfahrt auf dem Programm. Da ich nun aber unerwartet so früh wach war, konnte ich mir nochmal in aller Ruhe den Affen- und Vogelpark anschauen, den ich auf der Anreise entdeckt hatte. Die Webseite wirkte zwar eher altbacken, aber der Umweg würde nur eine halbe Stunde ausmachen. Vollends überzeugt hatte mich dann die Tatsache, dass Schwerbehinderte mit einem Grad von 100% kostenfreien Eintritt erhalten. Der Normaltarif wären sonst knapp 20 Euro gewesen. Nun war alles klar – Zwischenstop in Eckenhagen!

Nachdem ich das Auto mit Barre-Kisten vollgeknallt hatte, ging es auch schon los, und ich kam noch vor der Mittagszeit am Park (am Arsch der Welt) an. Der Ersteindruck, den die Webseite vermittelt hatte, war offenbar ein falscher. Es gab mehrere Parkplatz-Segmente mit Einweisern. Fast alle Plätze waren belegt und sogar Reisebusse standen herum. Es erinnerte ein bisschen an die großen Freizeitparks. Vorsichtig optimistisch begab ich mich zur Kasse und durfte tatsächlich völlig kostenlos passieren.

Der Affen- und Vogelpark in Eckenhagen

Wenn sich ein Umweg jemals gelohnt hat, dann war es definitiv dieser. Der Park ist schlicht und ergreifend wunderschön und riesengroß. Der Kommerz hält sich in Grenzen, es gibt eigentlich keine „Geldfallen“, und an jeder Ecke findet man liebevoll gestaltete Elemente. Als Beispiel sei ein Kräutergarten genannt, der mit einem Hexenhaus und Backofen versehen wurde. Schaut man durch’s Fenster des Häuschens, entdeckt man die olle Hexe wie sie gerade ganz gemütlich in der Badewanne liegt.

In verschiedenen begehbaren Bereichen kommt man hautnah mit allen möglichen Vögeln, Papageien, Hühnern, Fasanen und und und in Kontakt. Im Bereich der Totenkopfäffchen laufen Rehkitze völlig frei durch die Besuchermenge und lassen sich von den begeisterten Kindern streicheln. In einem riesigen Freigehege kommt man schließlich auch zu den Berber-Affen, die keinen Kontakt scheuen und mitunter den Besuchern einfach auf die Schulter springen. Man kann hier wirklich seine Zeit verbringen, ohne dass es auch nur eine Minute langweilig wird.

Die guten alten Zeiten

So blieb ich dann auch viel länger, als ich ursprünglich geplant hatte. Das ganze Erlebnis war rückblickend irgendwie wie eine kleine Zeitreise in die 80er/90er. Hier war die Welt einfach noch „in Ordnung“. Am Nandu-Gehege sprach mich plötzlich aus heiterem Himmel ein etwa 8-jähriges Mädchen an, das mit Oma und Opa da war. Hier lägen überall so schöne Federn, oder? Ich stimmte ihr schmunzelnd zu und erfuhr dann, dass ihr Nachbar einen echten Pfau besitzt und ihr „doppelte Federn“ immer schenke. Sie warte nun sehnsüchtig darauf, dass bald ein Pfauenauge an der Reihe sein wird. Ich versicherte ihr, dass ich ihr dafür ganz feste die Daumen drücke, und nach einem herzlichen Dankeschön zog sie fröhlich weiter ihrer Wege.

Warum erzähle ich diese eigentlich bedeutungslose Anekdote? Ich weiß es auch nicht so genau. Aber irgendwie war dieser kurze Moment eine echte Wohltat für meine Seele. Ich schimpfe ja oft über die „neue Zeit“, in der jeder nur noch an sich selbst denkt und andere möglichst gemieden werden. Mit fremden Menschen einfach grundlos ein Gespräch anfangen? Geht gar nicht…. Dass dann auch noch ein Kind einen Erwachsenen anspricht – in Hanau oder einer echten Großstadt wäre das wohl völlig unvorstellbar. Das mag gute und berechtigte Gründe haben. Und doch vermisse ich die Zeiten, in denen das völlig normal war und man sich keine Sorgen machen musste. Naja, das ist ein zu weites Feld, Luise. Jedenfalls danke, fremdes Mädchen! Du hast mir mit unserer kurzen Begegnung zumindest so ein kleines bisschen den Glauben an die Menschheit wiedergegeben. Viel Glück mit deinem Pfauenauge!

Gute viereinhalb Stunden hatte ich letztendlich im Affen- und Vogelpark verbracht. Unverhofft kommt oft! Nun aber ging es endgültig Richtung Heimat. Mit dem rhythmischen Geschepper der 192 Barre-Flaschen im Schlafzimmer tuckerte ich glücklich und zufrieden über meinen „Kurztrip“ die letzten knapp 200 Kilometer nach Hause.

Lassen wir Bilder sprechen

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